Das erfundene, aber auch ein bisschen wahre Märchen vom kleinen Drachenland
Eine Naturgeschichte für Kinder, aufgeschrieben von Jörg von den Steinen, präsentiert in Kooperation mit der Klein-Winternheimer Kulturinitiative KiWi, der Kindertagesstätte St. Franziskus und der Lokalen Agenda.
Kennt ihr das Land der kleinen Drachen, was sich oben im Hang der Naturschutzfläche direkt hinter dem kleinen Wäldchen versteckt?
Wenn nicht so richtig, ist das eigentlich ganz in Ordnung, denn da sollte man nicht jeden Tag herumtoben und Ball spielen. Denn dort wohnen kleine Eidechsen, und die sind ganz schön scheu und empfindlich.
Ihr Zuhause besteht aus über zwanzig länglichen Lehmhügeln, mit vielen versteckten Gängen und Kammern darin wie in alten Burgen. Es ist von Grasbüscheln bewachsen und hat dabei auch kleine Holzstapel als Ausguck und Steinhaufen zum Sonnenbaden. Das Warmsein lieben seine Bewohner nämlich sehr. Wenn ihnen zu kalt ist, bewegen sie sich ganz wenig.
Ach ja - wieso nennt man so etwas Winziges denn kleine Drachen? Weil so richtige Drachen, die durch die Luft fliegen und sogar Feuerspucken können, sind das natürlich nicht. Sondern Eidechsen, die ein bisschen wie gerade geborene Minikrokodile aussehen, aber ohne eine lange Schnauze mit Zähnen, sondern mit einem Stups-Gesicht, vier Stummelbeinen mit Krallenzehen und einer schillernden Schuppenhaut. Dadurch stimmt der Name „Drachen“ dann irgendwie schon.
Die kleinen Eidechsen sind Landtiere, sehr selten und am liebsten unter sich. Und darum geht es in dieser Geschichte, denn: Die kleinen Drachen bekamen seit neuestem Besuch, der ihnen gar nicht gut gefiel.
Teil 1 - Klein-Drachenland in Aufruhr
Eines Tages rief Draximus, der Chef von der Drachen-Villa „Südhügel“, alle Bewohnerinnen und Bewohner vom Erdhügelland zusammen, weil es ein richtig großes Problem gab - und das hieß Beppo.
Beppo war der junge Schäferhund von Herr und Frau Regen-schön. Sie hatten einen verwilderten Garten, der eingezäunt war, damit Beppo sich frei bewegen konnte, während sie arbei-teten. Der Gartenzaun war allerdings schon alt und hatte seit einiger Zeit schon hinter einem hohen Busch versteckt ein Loch. Und das hatte Beppo beim täglichen Rumschnüffeln entdeckt. So konnte er nun jeden Tag unbemerkt ausbüxen und allein herumstromern. Das dürfen Hunde zwar nicht, aber die Regenschöns wussten ja nichts davon.
Beppos Ziel bei seinen Streifzügen war oft das Erdhügelland der kleinen Drachen, wo er am liebsten Löcher grub, was er mit seinen starken Vorderpfoten auch toll konnte. Und wenn ihr jetzt auch kleine Drachen wäret, müsst ihr euch das dann so vorstellen, als ob jemand bei euch einfach solange am Dach von eurem Haus rubbelt, bis es weg ist. Dann regnet es rein und es wird nass und kalt, was blöd ist.
Und noch blöder wäre, dass da jemand kommt, der immer Hunger hat und für den jede kleine zufällig dort ausgegrabene Eidechse ein schnelles Leckerli zwischendurch sein könnte. Haps und weg! Und dann natürlich leider tot.
Ein solches „Aufgefuttert-Werden“ war zum Glück bisher noch nicht passiert, weil alle vorsichtig waren. Aber um so ein Unglück in jedem Fall zu verhindern, mussten sich die kleinen Drachen vom Erdhügelland dringend etwas einfallen lassen.
Die meistens ziemlich ängstliche Minima von der Drachen-residenz „Brombeerstrauch“ meldete sich als erster und schlug zaghaft ein Auswandern vor, und das am besten bitte gleich und sofort. „Aber das“, so widersprach Draximus, „ist doch noch viel ge-fährlicher als der jetzige Zustand!“ Da hatte er recht, denn auf den Wegen rings dem Erdhügelland fuhren ständig schwere Traktoren herum, unter deren riesigen Reifen kein kleiner Drachen überleben würde. Und wohin sollten sie denn überhaupt umziehen? Das Erdhügelland hatten einige Menschen ihnen doch extra eingerichtet, eben weil sie dort ihre Ruhe haben sollten.
Was aber Beppo – wie wir ja wissen - so gar nicht interessierte, weil für ihn ein In-Ruhe-lassen von anderen Tieren als Hund überhaupt nicht wichtig war. Beppo wollte einfach gerne überall graben, und dabei vielleicht auch ein bisschen nach Mäusen jagen. Oder auch nach die kleinen Drachen. Dass er Angst verbreitete, war ihm schnauzpiepegal.
Nun meldete sich Echsabella von der „Villa Braunhügel“. Sie meinte, dass man so einen Streuner – also, genau nannte sie ihn „ein völlig durchgeknalltes und aufgedrehtes Fellbündel“, was schon etwas hart ausgedrückt war, Beppos Benehmen aber wirklich ziemlich gut traf - irgendwie ablenken müsste, bevor er sich wieder wie wild ihre Hügelchen vorknöpfen wollte. „Ich will ja gerne glauben, dass er beim Buddeln eigentlich nur auf seine eigene Art spielen will, aber er richtet dabei großen Schaden an. Vielleicht kann man ihm irgendwie beibringen, dass er bei uns keinen Stress mehr macht.“
Gute Idee, dachten die anderen, aber wie sollte das wohl gehen, was sollte dafür passieren? Und wen brauchte man dafür? Jemand besonders Starkes vielleicht, der Beppo einfach zurückhalten könnte? Da kannten sie leider keinen. Der dicke Rehbock, der ab und zu mit seiner Familie vorbeikam, hatte zwar spitze Hörner, aber er würde bei so was nie im Leben den Helden spielen wollen. Der wollte nicht vielleicht in die Beine gebissen werden. Und auch der Fuchs würde sicher nicht helfen, obwohl er Zähne im Maul hat. Der ließ sich nie auf direkte Kämpfe ein, sondern machte sein Ding am liebsten mit List. Eigentlich fiel ihnen gar kein Tier ein, was Lust gehabt hätte, sich in einer direkten Auseinandersetzung mit Beppo anzulegen.
„Na, was machen wir dann bloß?“, jammerte Minima. Darüber dachten alle angestrengt nach.
„Moment mal!“, rief der kesse Fritzi Echenblitz vom Drachen-haus „Hügelfein“ plötzlich. „Wir denken irgendwie falsch herum. Nicht groß, sondern klein muss unser Lockvogel sein! So ein richtiger nerviger Ärgerer!“ - „Eigentlich ist das eine tolle Idee, Kleiner“ sagte Draximus beeindruckt nach einer kurzen Pause. „Allerdings - bei jemandem, der nervt, fällt mir als erstes nur unser Freund Brummski vom Insektenhaus ein!“
Ach herrje – ausgerechnet Brummski, die Schummel-Hummel, der größte Brummer-Angeber auf der Wiese. Na klar konnte der einen so richtig ärgern, wenn er direkt vor deiner Nase hin und her summte. Wobei er dann aber gut aufpasste, weil erfahrene Zauneidechsen ihn auch durchaus als Appetithappen ansahen.
„Na ja – abgesehen davon, dass ich so einen ehrlich gesagt selbst zum Fressen gern habe, hilft uns Brummski nicht. Der fliegt viel zu gemütlich, den schnappt sich Beppo irgendwann und dann ist Schluss mit lustig.“ Das stimmte natürlich auch. Eine Biene ist äußerst brummig, aber gar nicht schnell.
Die Idee klappte also leider nicht. Aber wer blieb dann als guter Beppo-Ablenker übrig?
Zoltan Zwiebelbein vom Nordwesthügel dachte laut: „Der Falke vielleicht? Der ist mutig und so richtig schnell.“ Sofort kam Widerspruch: „Ganz schlechte Idee, weil: Der ist doch selbst darauf aus, uns zu fangen“, meinte Echsabella. „Einmal hatte der mich fast. Da habe ich blitzschnell meinen Schwanz abgeworfen und konnte so gerade noch im Bau verschwinden.“
Die anderen nickten und erinnerten sich. Sie wussten zwar, dass sie alle diesen sagenhaften Eidechsen-Trick konnten – aber bis auf Echsabella hatte es noch keiner oder keine von ihnen jemals machen müssen. Sie war am Anfang selbst erschrocken gewesen, aber es tat nicht weh und ein bisschen wuchs der Schwanz auch wieder nach. Inzwischen fand sie es sogar ganz schick.
„Ein Falke geht gar nicht, aber vielleicht …“ - alle warteten gespannt, was jetzt kam - „ … vielleicht eine Schwalbe!“ Die Bemerkung kam von Fritzis Zwillingsschwester Bitzi Echsen-blitz, und das war nun wirklich ein guter Gedanke. Denn Schwalben sind die besten Flugkünstler überhaupt, so schnell, dass Beppo nicht einmal „Wuff“ machen könnte, wenn die dicht an ihm vorbeizischen würden.
Wenn die kleinen Drachen so eine Schwalbe fänden, die dem lästigen Stör-Hund aber so richtig einheizen würde, wenn er wieder in seiner doofen Buddellaune wäre – ja, das wäre eine mögliche Lösung.
Teil 2 - Der Schwalben-Plan
Die Schwalbinis waren eine alteingesessene Schwalbenfamilie, die jedes Jahr von ihrem Winterwohnsitz sehr weit im Süden nach Klein-Winternheim reisten.
Als erstes wurde dann das alte Nest ausgebessert, was wie eine Kugel unter einem Dachvorsprung im Dorf klebte. Ein tolles kleines Bauwerk aus zusammengepapptem Lehm, der hinter dem kleinen Einflugloch eine gemütliche feste Wohnkugel ergab.
Meistens boten sich für solche Nester bestimmte Dächer be-sonders an. Da versammelten sich dann eine ganze Menge von Schwalbenfamilien. Sie fanden die vielen Nachbarn prima, weil sie sehr gerne untereinander schwatzten. Gerade in den Abend-stunden machten sich die Elternschwalben auf, um über den Kornfeldern in der Umgebung kleine Fliegen zu jagen. Dafür brauchten sie eine schöne freie Landschaft ohne eng beieinan-der stehende Bäume, aber die hatten sie hier ja auch zwischen den Weinbergen.
So kamen die Schwalben natürlich immer auch zum Erdhügelland. Wie auch zwei noch junge Schwalben – Luigi und Emilia. Sie kannten sich seit ihrer Geburt, waren beste Freunde und gaben mit ihren Tricks gerne an. Das sah großartig aus. Mit den schma-len Flügeln konnten sie in der Luft ganz kurze Haken schlagen und so schnell fliegen, dass es nur so eine Freude war. Die reinsten Luftakrobaten! Die kleinen Drachen hatten die Flug-show oft genug von ihren Hügeln aus mit großer Bewunderung beobachtet.
Bei der „Was-machen-wir-nur-mit-Beppo?“-Versammlung waren sich nun alle einig: Die Schwalben wären ganz großartige Ärgerer, die an den Beppo-Buddler locker auf wenige Zentime-ter herankommen und ihn dabei richtig krass auf die Nerven gehen konnten, die er dabei aber nie und nimmer erwischen würde. So hätte er sicher bald am für ihn viel zu hektischen Kleindrachenland keinen Spaß mehr – und würde woanders herumschnüffeln. Oder, noch besser, er blieb gleich zuhause in seinem Garten.
Das war ein guter Plan. Aber irgendwie auch total kompliziert.
Denn: Wie sollten die kleinen scheuen Erdechsen diese fast immer in Bewegung bleibenden Schwebe-Künstler um Hilfe bitten? „Jemand muss dahin und sie nett fragen“, grummelte Draximus, „aber von uns schafft das keiner!“
Alle starrten traurig vor sich hin. Wieder eine Sackgasse. Beppo würden sie wohl doch nicht loswerden.
In dem Moment knackte es ganz in der Nähe laut und dann polterte Charlie, der Fasanenhahn mit einem fröhlichen GÖ-GÖCK durch die Zweige. Der federbunte Charlie trieb sich mit zwei Weibchen, das waren Henny und Penny, auch sehr gerne hier um und suchte dort nach Futter. Charlie war überhaupt nicht der beste Flieger, er schaffte eigentlich nur ein paar Meter hoch, um dann wieder wenig elegant zu Boden zu plumpsen. Aber er war ein Vogel, und die können bekanntlich doch ganz andere Strecken zurücklegen als kleine Drachen mit ihren Stummelbeinen.
Und obwohl Fasanenvögel wie Charlie auch manchmal Lust haben, Eidechsen zu verputzen, wenn sie sie erwischten, schaute Draximus in die Runde und sah, dass alle das gleiche dachten. Charlie war vielleicht der gesuchte Bote, der die Schwalbinis um Hilfe bitten könnte. Man musste ihn nur davon überzeugen.
Echsabella reagierte als Erste und sprach ihn an, wobei sie aufpasste, einen Sicherheitsabstand zu halten. Zugegeben schmeichelte sie ihm dabei ein bisschen, damit er gute Laune hatte: „Hochverehrter Charlie, hübschester Vogel auf unserem ganzen Gelände, wie geht es dir denn heute so?“
Charlie war hocherfreut über das Kompliment: „Na prima, GÖ-GÖCK! Die Sonne scheint, keine Jäger, Bauer oder Wanderer in Sicht, meine Federn glänzen schön, so finden Henny und Penny und ich das gut.“ – „Ist aber auch ein bisschen langweilig, oder? Du könntest doch mal eine kleinen Spazierflug machen, wir hätten da ein tolles Angebot.“ Fritzi zwinkerte den anderen kleinen Drachen zu, und Bitzi regierte sofort. „Soll natürlich auch nicht umsonst sein. Wir kennen da ein gut verstecktes Kartoffelkäferlarven-Lager, das hat es als Fasanen-Fest-schmaus total in sich.“
Na, da hatte Bitzi bei Charlie voll ins Schwarze getroffen: Kartoffelkäferlarven waren sein Leibgericht, aber schwer zu finden. Mit großer Neugierde fragte er: „GÖ-GÖCK, raus damit, worum geht es?“
Draximus nahm den Faden auf. „Du musst nur die Schwalben bitten, einmal kurz bei uns Rast zu machen, damit wir sie was fragen können! Du als Vogel kannst ihnen eine Nachricht von uns überbringen! Wir schaffen das nicht.“
Charlie dachte nach: Na gut, heute war ja nun im Feld wirklich gar nichts los, kein Mensch weit und breit und der Fuchs schlief mit Sicherheit. Also ein kleiner Flug zum Schwalbentümpel – das müsste doch drin sein. Und bei dem Gedanken an einen herzhaf-ten Kartoffelkäferlarven-Eintopf wurde ihm aus Vorfreude ganz schwummerig.
„Ich mach’ es!“, sagte er. „Ich sage den erstbesten Schwalben, die ich treffe, Bescheid, dass sie mal bei euch vorbeikommen. Aber kein Wort zu Henny und Penny, die machen sich immer Sorgen, wenn ich nicht da bin.“
„Großartig!“, erwiderte Draximus, „Und natürlich halten wir dicht. Wir haben also eine Verabredung: Nachricht überbringen gegen Larven-Menu!“ Und alle kleinen Drachen schwenkte als Zustimmung ihre Schwänze.
Charlie plusterte sich kurz auf, stieß ein besonders wichtig klingendes „GÖ-GÖCK“ aus und hob schwerfällig ab, um dann aber nach ein paar Metern ins Gras zu plumpsen. „Alles gut, kleiner Fehlstart, jetzt aber“, rief er noch und dann schaffte er es tatsächlich, in Richtung Schwalbentümpel abzuheben. Aller-dings sah es so aus, als würde er viel mehr durch die Luft strampeln als fliegen.
„Wenn das mal gut geht“, seufzten Frizie und Bitzi gleichzeitig.
Teil 3 - Beppo und der geheimnisvolle Zwick-Zauber
Nun, es ging gut, Charlie hielt ohne Absturz solange durch, bis er den Schwalbentümpel vor sich sah.
Also, ein ganzer Tümpel war das genaugenommen nicht, eher eine große Pfütze. Die war bei den Schwalben beliebt, weil sie dort ihre Federn reinigen konnten, was die für das tolle Fliegen regelmäßig brauchten. Das sah dann so aus: Rein ins flache Nass, mit Flügelschlägen das Wasser spritzen lassen, und zum Schluss mit dem Schnabel zur Federpflege die Tropfen im Gefieder ver-teilen. Fertig! Erfrischend und hilfreich.
Als Charlie nun mit – das muss man schon sagen – letzter Kraft angetrudelt kam, hatten in der Pfütze gerade Emilia und Luigi ihren Spaß. Und waren ebenso verwundert wie amüsiert, als Charlie neben sie platschte. Sie kannten ihn von ihren Ausflügen, und fanden besonders sein GÖ-GÖCK lustig.
Er wiederum wunderte sich bei ihren Begegnungen immer, wie man selbst mitten im wildesten Looping noch soviel quatschen konnte, wie die Schwalben. Wie auch immer, nachdem er wieder einigermaßen GÖ-GÖCK sagen konnte, wurde Charlie seine Nach-richt los: Ob die Schwalben nicht einmal fix zu den kleinen Dra-chen fliegen könnten, weil die eine große Bitte hätten.
Luigi und Emilia waren einverstanden, sie hatten gerade sowieso nichts Besseres vor. Und als die beiden durchstarteten, machte sich auch Charlie auf den Rückweg. Sagen wir es mal so: Bis er überhaupt wieder halbwegs in der Luft war, hatten die beiden schnellen Schwalbenkinder das Drachenland schon erreicht.
Charlie dachte aber schnaufend an leckere Kartoffelkäfer-larven, die er später dann mit Henny und Penny verzehren würde. Die würden große Fasanenhennen-Kulleraugen machen, was er – der tolle Charlie – so alles organisieren könnte.
Bei den kleinen Drachen wurden die Schwalben inzwischen be-geistert empfangen. „Die allererste Fasanenpost hat also funk-tioniert. Das müssen wir uns merken“, meinte Echsabella, „das kann man vielleicht auch sonst mal brauchen.“
Luigi und Emilia hüpften derweil erwartungsvoll und etwas hektisch auf einem der Erdhügel herum, wie das so Schwalben-art ist, die ganz schlecht still sitzen können, und darum kam Draximus gleich zur Sache. In knappen Worten schilderte er, wie Beppo die kleinen Drachen störte und sogar ihr Leben be-drohte und ob sie, die Schwalben, ihnen nicht helfen könnten, ihn zu vertreiben.
Jetzt muss man sagen, dass die Eidechsen an dem Tag sagen-haftes Glück hatten, dass Charlie ausgerechnet Luigi und Emilia in der Pfütze antraf. Die beiden waren dafür bekannt, dass sie unglaublich gerne Streiche spielten. In einem nahen Pferdehof sorgten sie immer mal wieder für viel Aufregung, weil sie sich gerne auf die Pferdepopos setzten und die Tiere dort mit einem Scharren ihrer Füße im Fell kitzelten. Das ergab ein wildes Ge-wieher und Schwanzschlagen, damit das lästige Kribbeln auf-hörte. Die flinken Schwalben aber hatten einen Riesenspaß an dem ganzen Durcheinander, wenn die Menschen angerannt ka-men, um zu schauen, warum die Pferde denn so nervös waren.
Dass sie nun einen lästigen aufdringlichen Hund ärgern sollten, war also gar keine Arbeit oder Last, sondern eigentlich eine ziemlich feine Sache. Und so zierten sie sich gar nicht lange und wollten auch keine Belohnung. Sie sagten zu und flogen gleich mit eleganten Bögen los, um zu schauen, ob sie Beppo entdecken konnten. Luigi flog nach rechts und Emilia nach links, da hatten sie mehr Chancen, ihn zu finden.
Beppo wiederum hatte bisher einen langweiligen Tag hinter sich. Morgens war er im Haus geblieben, weil die Regenschöns von Zuhause aus arbeiteten. Erst am frühen Nachmittag ließen sie ihn in den Garten, weil sie einkaufen wollten. Beppo hielt sich dort wie üblich nicht lange auf. Er trabte hinter den Busch und drückte sich durch das Loch im Zaun. Und zufällig fand er es auch eine gute Idee, heute mal wieder ein bisschen im Erdhügel-land herum zu buddeln.
Als er auf dem Weg dorthin einen Feldweg entlang lief, ent-deckte ihn Emilia. Indem sie blitzschnell in die Höhe aufstieg, konnte sie schnell den tiefer suchenden Luigi finden und ihm Be-scheid geben. Mit vollem Schwalbentempo, also schneller wie Autos bei uns in der Stadt fahren dürfen, flitzten sie dann hinter Beppo her.
Als sie direkt über ihm waren, unterhielten sie sich in ihrer Schwalbensprache kurz darüber, wie sie bei ihrem Streich am besten vorgehen sollten. Sie wollten ihn ja nicht nur einfach so ärgern. Beppo sollte glauben, dass das Erdhügelland für ihn nichts Gutes sei. Daher ließen sie ihn sogar bis zu den Erd-hügeln gelangen.
Echsabella entdeckte den herankommenden Hund als erstes und warnte die anderen, die daraufhin wie Raketen in ihre Erdhügel schossen. Sollten sie die Schwalben vielleicht reingelegt haben und doch nichts für ihre Sicherheit tun? Mit großen Sorgen warteten die Eidechsen im Dunkeln ihrer Wohnhöhlen ab, was nun passieren würde.
Beppo fand also eine große Leere vor, aber seine feine Nase sagte ihm, dass hier irgendwo etwas zu finden und dann vielleicht sogar zu verspeisen wäre. Als er gerade anfangen wollte zu graben, setzte sich blitzschnell Emilia vor ihn hin, pickte kräftig in seine Pfote und war schon wieder weg. Autsch, das tat weh. Was war das denn?, dachte Beppo! War da was Spitzes im Hügel gewesen .. oder was? Im gleichen Moment bekam er eine heftigen Pieks in den Po – das war Luigi. Als er sich danach umdrehte, war der auch längst verschwunden.
Beppo wurde es ein wenig unheimlich. Was zwickte ihn denn hier? Ehe er eine Ahnung bekommen konnte, hatten die beiden Schwalbenkinder einen Megatrick ausgepackt. Emilia flog auf dem Rücken fliegend unter Beppos Bauch her und zupfte ihm dort ein Bauchhaar aus, während Luigi in eines von Beppos Ohren kniff. Nun wusste der gar nicht mehr, was los war und war völlig verwirrt.
Die kleinen Drachen waren alle in Deckung gegangen, wie ihr ja wisst, aber die furchtsame Minima hatte doch ganz vorsichtig zugeschaut, was oben passiert. Nun hatte sie eine verrückte Idee, eine gute, aber auch ziemlich gefährliche. Wie wäre es, wenn Beppo denken sollte, dass sie, eine besonders kleine Eidechse, der Grund für die ganzen Gemeinheiten wäre und über eine Zauberkraft verfügen würde, die die ganze Zwickerei be-wirkt? Dafür musste sie Beppo aber einmal sehen, was natürlich ganz schön riskant war.
Minima seufzte kurz, so etwas Mutiges hatte sie wirklich noch nie gemacht. Aber irgendwann muss man sich was trauen.
Darum sprang sie hervor und richtete sich so drohend wie möglich auf. Hätte das Beppo durchschaut, wäre es dem kleinen Drachen bestimmt schlecht ergangen. Aber Emilia und Luigi verstanden, warum Minima das machte und flogen noch eine letzte, besonders schwierige Attacke. Sie schafften es nämlich, gleichzeitig einen Pieks auf den Kopf und einen in den Schwanz hinzubekommen und – Schwupps! - waren sie schon wieder weg wie nie dagewesen. Minima aber machte dazu ein besonders finstres Gesicht und wedelt mit einem kleinen Stöckchen, was sie gefunden hatte.
Beppo, der ja ein junger Hund war und noch wenig Erfahrung hatte, erstarrte und bekam nun doch so richtig Muffe. Hier spukte es irgendwie, und offenbar gab es da ein grünes Wesen, was das alles irgendwie bewirkte und kontrollierte. Vielleicht war diese unangenehme Zwickerei nur eine Warnung und der Anfang von etwas viel, viel Schrecklicherem.
Als der kleine Grünling wieder mit dem Stöckchen zu wedeln begann, wurde es Beppo dann zu viel. Er drehte auf den Hinter-pfoten um und raste nach Hause in seinen Garten. In seiner Hektik wollte er dort zu schnell durch das Loch im Zaun schlüpfen und verhedderte sich. Die Regenschöns saßen gerade nett beim Kaffeetrinken, als sie hinter dem großen Busch ein Jaulen hörten. Sie konnten ihren Hund schnell befreien, hatten nun aber auch das Loch entdeckt. Und das wurde noch am gleichen Tag geschlossen.
Die Gefahr war nun aus zwei Gründen gebannt: Beppo konnte nicht mehr ausbüxen und gleichzeitig war ihm das Erdhügelland viel zu unheimlich geworden.
Teil 4 – Alles wieder gut in Klein-Drachenland
Dass das Loch im Zaun gestopft wurde, wussten die kleinen Drachen nicht. Aber die Wirkung von ihrer vermeintlichen „Zauberei“ hatten schon alle mitbekommen. Beppo war beim Wegrennen anzumerken, dass er Angst hatte, und alle hofften, dass das so bleiben würde.
Minima war an dem Tag die Heldin, weil sie so mutig gewesen war. Das machte sie stolz. „Aufpassen müssen wir trotzdem, auf den Falken und auch auf komische Menschen, die denken, wir seien vielleicht eine Touristenattraktion und überhaupt, wir sind ja klein und wehrlos“, meinte Echsabella, die - ihr erinnert euch – ihren Schwanz verloren hatte. „Na klar,“ sagten Fritzi und Bitzi wieder mal gleichzeitig, „aber wer klein ist, kann sich auch mit richtig guten Ideen wehren.“
„Und mit guten Helfern und Freunden,“ ergänzte Draximus und wandte sich an Luigi und Emilia. „Ihr habt wirklich eine groß-artige Flugshow abgeliefert, ihr beiden!“ Alle anderen kleinen Drachen schlugen ihre Schwänze als Beifall auf den Boden. „Wir bedanken uns ganz herzlich!“ – „Ach, keine Sache,“ meinte Emilia, „das hat Spaß gemacht.“ – „Und wir haben heute Abend zwischen unseren Schwalbennestern eine lustige Geschichte zu erzählen“, ergänzte Luigi. Dann zischten die beiden ab, natür-lich mit zwei wunderschönen Loopings, die sie in den Himmel malten.
Etwas später kamen dann auch Charlie, Henny und Penny vorbei. Dass der Fasanenhahn eine längere Tour gemacht hatte, war schon herausgekommen und seine beiden Hennen hatte ihm wegen dieser „Unverantwortlichkeit“ ganz schön eingeheizt. Als Zoltan ihnen dann aber wie abgemacht die leckeren Kartoffel-käferlarven zeigte, verflogen alle Vorwürfe und es gab das versprochene Festmahl.
Die kleine Drachen aber genossen die Abendsonne. Der Falke jagte heute offenbar woanders, da waren sie sicher. Brummski brummte mal kurz vorbei, hatte dann zu seinem eigenen Glück andere Pläne.
So blieb es schön still, nur das Grillenorchester übte ein wenig.
Beppo lag in seinem Körbchen und träumte von dieser komischen Zwickerei – er hatte seine Lektion bekommen. Luigi und Emilia kuschelten zufrieden in ihren Schwalbennestern. Ihre Ge-schichte war ein voller Erfolg gewesen, alle hatten herzhaft gelacht – was bei Vögeln wie ein besonders lautes Zwitschern klingt. Draximus und Echsebella und alle anderen Zauneidechsen zogen sich dann, als es ein bisschen kühler wurde, auch ins Warme unter der Erde zurück. Sie waren sehr erleichtert, weil der Tag für die kleinen Drachen so gut gelaufen war. Fritzie und Bitzi erzählten sich noch zwei freche Eidechsenwitze, dann schliefen sie ein. Charlie und seine Hennen hatten es sich da schon länger satt und zufrieden in ihrer gut getarnten Erdkuhle unter einem Brombeerstrauch gemütlich gemacht.
Am längsten wach war aber noch die kleine Minima.
Was für ein Tag, was für ein Abenteuer! Und sie mittendrin als große Eidechsen-Zauberin!
Ich weiß gar nicht, ob Eidechsen lächeln können. Aber wenn das geht, ist sie bestimmt mit einem großen Grinsen eingeschlafen.