REDE VON DR. IRENE WELLERSHOFF
"Die Wiedergeburt des Haybachs"
Um etwas zu verändern braucht man ein anschauliches, inneres Bild von dem, was man erreichen möchte. Sonst scheint der Status Quo die einzig mögliche Realität zu sein ...
Vor etwa 25 Jahren, als die Bürgermeisterin von Klein-Winternheim, Ute Granold, die Lokale Agenda ins Leben rief, war unser Impuls ihr beizutreten, die Idee, den vergessenen Schatz des Tals, den Haybach, wieder in Erinnerung zu rufen und zu neuem Leben zu erwecken. Zu dieser Zeit hatte der Bach schon angefangen, sich selbst vom Beton zu befreien. Er hatte die Halbschalen teilweise unterspült und bei Starkregen durcheinandergeworfen. Deshalb sollte er gezähmt werden, weil er sonst den danebenliegenden Weg abgerissen hätte. Der Plan war, die Halbschalen wieder einzubetonieren. In verschiedenen Telefongesprächen entwarf ich das Bild eines Baches, der durch Wiesen mäandert und erntete damals teilweise Kopfschütteln. Der Haybach sei gar kein Bach, erfuhren wir von den Behörden, sondern ein Gewässer 3. Ordnung. Vulgo: ein Abwasserkanal. Trotzdem kamen Vertreter der zuständigen Verwaltungen und Institutionen vor nicht ganz 20 Jahren zu einem Ortstermin. Beim Anblick des Betonelends dachten plötzlich alle um: Warum nicht Natursteine nehmen und einen Bachabschnitt durch ein Regenwasserrückhaltebecken leiten? Die Investition war höher als zunächst vorgesehen, aber zukunftsorientierter. Gedacht, getan: Das Bachbett wurde im Bereich des Regenrückhaltebeckens verlegt – übrigens ungefähr dorthin, wo der Bach früher natürlicherweise verlaufen ist, wie die Ausschachtungsarbeiten dann zeigten. Ein erstes Stückchen Wiesenbach war entstanden.
Eine Studentin der FH Bingen, Anke Petschkuhn, entwarf 2010 auf Anregung der Lokalen Agenda eine größere Vision: Die Renaturierung des gesamten Bachlaufs. Die weitere Diskussion war damit angestoßen. Die VG Nieder-Olm und die Gemeinden Klein-Winternheim und Ober-Olm unternahmen weitere Schritte: den Ankauf von Grundstücken am Haybach und die Einleitung von Oberflächenwasser in den Bach statt es in der Kanalisation verschwinden zu lassen.
Und nun soll der entscheidende Schritt getan werden mit einer großflächigen Renaturierung des Baches und seiner Ufer. Noch viele Schritte werden nötig sein, wie die Trennung von Abwasser und Oberflächenwasser. Eines Tages wird sogar der Wiederanschluss der versiegten Quellen möglich werden, davon bin ich überzeugt.
Mit jedem Schritt wird aus dem öden Gewässer 3. Ordnung wieder das werden, was es einmal war: ein lebendiger Bach. Die virtuelle Fotoausstellung, für die Bodo Witzke monatelang Fotos gesucht hat, gibt uns eine anschauliche Vorstellung davon, was jetzt schon im Kleinen existiert und was in Zukunft weit sichtbar in unserem schönen Haybachtal entstehen kann.
2021: Das Buch zur Ausstellung ist erschienen !!
Das Buch "Der Haybach und sein Potential" zeigt die wunderbare Bilderserie von Bodo Witzke. Zusätzliche Einblicke in den Stand der Renaturierung und die Motivationen, die dahinter stehen, geben Ute Granold (Ortsbürgermeisterin Klein-Winternheim), Matthias Becker (Ortsbürgermeister Ober-Olm), Doris Leininger-Rill (1. Beigeordnete der VG Nieder-Olm) und Dr. Irene Wellershoff (Lokale Agenda Klein-Winternheim).
Das Buch gibt es über den Buchhandel oder direkt bei der Lokalen Agenda. Es kostet 17 Euro, hat 108 Seiten im Format 21cmx15cm. Wir wünschen viel Vergnügen beim Spaziergang an "unserem" Haybach!