Wie schön könnte es am Haybach sein ...
... wenn er nicht gelegentlich so stinken würde und wenn dort keine Damenbinden, Feuchttücher, Klopapier und sonstige Dinge, die Menschen in die Toilette entlassen, herumschwimmen und im Uferbereich abgelagert würden. Wie kann es dazu kommen?
Die
wenigsten Bewohner von Klein-Winternheim wissen, dass der Haybach bei
größeren Regenfällen als Überlauf für die Kanalisation
dient. Das Abwasser aus Spülmaschinen, Toiletten etc. wird dann, gemischt
mit Regenwasser, direkt in den Haybach geleitet. Man nennt das: es wird
"abgeschlagen". Und größere Regenfälle mit Überlauf der
Kanalisation hatten wir in den vergangenen Monaten viele – entsprechend
sieht es im Regenrückhaltebecken aus. Was hier nicht hängen bleibt,
schwimmt den Haybach hinunter, in die Selz, von da aus in den Rhein und dann ins
Meer. Ungeklärt. Inklusive des Plastiks.
Warum
läuft unsere Kanalisation bei starkem Regen über? Das liegt daran, dass
neben dem Dreckwasser auch das saubere Oberflächenwasser in die Kanalisation
geleitet wird, die für große Regenmengen nicht ausgelegt
ist. Auch viele Quellen, die einst den Haybach mit sauberem Wasser speisten, sind
in der Vergangenheit an die Kanalisation angeschlossen worden. Wenn nun viel
Regen fällt, ist die Abwasserleitung nach Ingelheim damit überfordert,
und das Dreckwasser wird - wie die Fachleute sagen - in den Haybach
"abgeschlagen": unser Bach wird zur Abwasserrinne.
Die gute Nachricht: Seit 2009 gibt immerhin eine Regenwasser-Direktleitung in den Haybach. Das Regenwasser vom Berg wird nicht mehr in die Kanalisation, sondern direkt in den Bach geleitet. So wird dieses Wasser nicht im Abwasserkanal mit Fäkalien etc. verschmutzt und bleibt sauber. In der Folge hat der Haybach mehr Wasser und die Kanalisation wird entlastet.
Das meiste
Regenwasser aus Klein-Winternheim wird allerdings in den Mischkanal geleitet,
also mit dem Abwasser vermischt und verunreinigt und fließt normalerweise
in den Rohren der Kanalisation nach Ingelheim in die Kläranlage. Dort wird
das Mischwasser wieder gereinigt. Den Unsinn, sauberes Regenwasser im Kanal zu
verschmutzen und dann wieder zu reinigen, bezahlen wir mit
unseren Abwassergebühren.
Seit einigen Jahren ist es aus guten Gründen Vorschrift, dass in Neubaugebieten zwei Kanalsysteme getrennt nebeneinander gebaut werden müssen, eines für das dreckige Abwasser, das andere für das saubere Oberflächenwasser. Eine sinnvolle Sache.
So ist das auch beim Neubaugebiet "Längs der Mainzer Straße" geschehen. Nur leider bisher ohne praktischen Nutzen, denn unterhalb des Netto-Marktes werden die beiden Abwasserleitungen wieder zusammengeführt. Das bis dorthin getrennte Abwasser verdreckt das bis dahin saubere Regenwasser und fließt bei Starkregen eben doch in den Haybach.
Wir haben
uns inzwischen so an die Tatsache gewöhnt, dass unser Bach auch als
Abwasserkanal dient, dass wir das für einen natürlichen Zustand halten,
den man achselzuckend hinnimmt. In anderen Ländern sieht man das ganz
anders. In Norwegen beispielsweise sind getrennte Kanalsysteme eine
Selbstverständlichkeit. Fäkalien in Bächen gelten als
rückständig, weil hygienisch und ökologisch inakzeptabel. Und ist
das nicht eigentlich selbstverständlich? Jedes Kind versteht spontan, dass
Fäkalien, Klopapier etc im Bach ekelhaft sind.
Die LOKALE AGENDA fragt: Können wir uns wirklich kein getrenntes Kanalsystem leisten in einem reichen Land, in einer reichen Gemeinde? Wäre es nicht schön, wenn unsere Kinder am Bach spielen könnten? Und wenn es am Haybach nicht stinken würde? Es ist an der Zeit, diesen Anachronismus zu beseitigen. (6/2016 iw)
... so sieht es übrigens aus, wenn das mit Abwasser verunreinigte Regenwasser nach einem starken Regen in das Rückhaltebecken "abgeschlagen" wird:
Der Wirbel vorne im Bild ist der Ablauf Richtung Grillwäldchen ... eigentlich ganz romantisch, wäre da nicht das dreckige Abwasser ...
Was hier an Dreck ungefiltert durchgeht, ahnt man, wenn das Wasser wieder weg ist.
Die hellen Punkte, mutmaßlich alles Toilettenüberbleibsel.