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„Wir vermissen den Zauberapfel!“

Reinhilde Roth und ihr Hofladen – Das Interview


(1/2023) Schon mit fünf Jahren hat Reinhilde Roth, geborene Eckert, auf dem Bauernhof ihrer Eltern mitgeholfen, Milch zu verkaufen. Das war in den Sechziger Jahren und es hatte ihr einfach nur Spaß gemacht. Die Bauernfamilie Eckert aus Klein-Winternheim, mit Mutter Johanna und Vater Karl Ludwig, hatte schon früh einen Hofladen an der Pariser Straße eröffnet, den zuerst Reinhildes Großmutter und dann ihre Mutter betrieben.

Zu „Reinhildes Hofladen“ wurde der Laden kurz vor der Jahrtausendwende, als sie das Geschäft übernahm und es vergrößerte. Der ehemals kleine Hofladen wanderte in den großen umgebauten ehemaligen Kuhstall, das Angebot wurde ausgeweitet. „Ich habe den Laden immer mit Herzblut gemacht", sagt Reinhilde im Rückblick, „meine Kunden haben das geschätzt.“ Dann fährt sie fort: „... man glaubt gar nicht, was einem die Leute in so einem Geschäft alles erzählen, irgendwie waren wir auch für einige eine Sorgenkammer.“ Das alles hat ihr sehr gefallen, den Laden zu managen, der Umgang mit den Kunden. Trotzdem war Weihnachten 2022 Schluss, es war ihre Entscheidung. Für Klein-Winternheim bedeutet das Ende des Ladens, dass ein Stück Dorfgeschichte zu Ende geht.

Das hier unter diesem Einführungstext dokumentierte Gespräch mit Reinhilde Roth führte Bodo Witzke Mitte Januar 2023, wenige Wochen nach der Schließung des Hofladens.


Reinhilde Roth – Das Interview

„Viele Kunden waren traurig, dass wir schließen, ich habe viele liebe Postkarten bekommen. Auf einer stand: ‚Wir vermissen den Zauberapfel‘. Das ist ein Apfel, den ich wie meine Mutter und Großmutter angeboten hatte, der so geschickt aufgeschnitten ist, dass man es zuerst nicht erkennt und der sich dann wie von Zauberhand öffnet. Kinder lieben das.

Ich habe den Laden mit Herzblut geführt, ich wollte meine Kunden zufrieden stellen, anders geht das nicht, das kostet viel Kraft. Wenn man jung ist, macht das Spaß, inzwischen ist mir der ewige Druck zu viel geworden. Wenn jemand einen neuen Hofladen mit so vielen Produkten aufmachen will, dann muss er wissen, dass das sehr arbeitsintensiv ist … man muss flexibel und motiviert sein und es geht nur mit Herzblut.

Über die Jahre sind die Kunden anspruchsvoller geworden und das Finanzamt will jeden Tag kontrollieren können, was wir verkauft haben. Ich habe mich viel weitergebildet, jedes Jahr war ich auf einem Seminar. Ich habe die Herausforderung gebraucht, wollte auch neue Leute aus Deutschland, Österreich kennen lernen, wollte Ideen und Anregungen für den Laden bekommen. Unsere Produkte sind, wenn möglich, aus der Region. Ich habe die Betriebe besucht, weil ich wissen wollte, wo meine Waren herkommen.

Für manche Kunden war ich mit meinen Mitarbeiterinnen, die als Minijobber dabei waren, wie eine ‚Sorgenkammer‘. Keiner glaubt, was mir erzählt wurde, irgendwie habe ich da eine Anziehungskraft und die Leute haben mir ihr Herz ausgeschüttet. Ich habe alles für mich behalten, manchmal konnte ich auch einen Rat geben oder trösten.

Am letzten Verkaufstag vor Weihnachten war ich nicht im Geschäft, da hatte ich Corona und es ging mir gar nicht gut. Das ist jetzt fast einen Monat her.

Die Coronazeit hatte das Geschäft verändert. Am Anfang hatten wir einen Boom, weil die Leute dachten, in so einem kleinen Laden könnten sie sich weniger anstecken. Dann war das plötzlich vorbei und es kamen nur noch ganz wenige.

Niemand muss sich Sorgen machen, dass ich mich jetzt langweile. Wir haben einen landwirtschaftlichen Betrieb, auf dem vier Generationen leben, da ist immer was los. Wir beliefern noch Gaststätten, Landmärkte, wir haben einen Verkaufsautomaten auf dem Hof, um den ich mich kümmere. Ohne den Laden kann ich mir die Zeit besser einteilen, die ich auch für meine beiden Enkel und die Betreuung der alten Familienmitglieder brauche. Ich selbst kann etwas runterkommen.

Im Moment vermisse ich nichts, es geht mir gut. Ich habe es mit Herzblut gemacht, aber jedes Ding hat seine Zeit. Eine Freundin hat gesagt: ‚In einem Jahr machst Du den Laden wieder auf!‘ Aber nein, am Ende war der Druck doch zu groß."



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